13 wochen zwischen ups und downs.
zwischen krassgroßem willen und kleinen schwachpunkten.
einfach geht anders. aber mit mut geht alles.
hier erzähle ich, wie sich ein entzug anfühlt, was man (ich) so alles erleben durfte.
von kuriosen Momenten, von prägenden veränderungen und ganz viel hoffnung.
bin ich mitten in einem traum
oder passiert das gerade wirklich?
bilde ich mir das ein
oder habe ich doch besuch von diesen geistern,
die gerade an meiner tür tanzen & winken?
als mich mein kalter entzug so richtig
im würgegriff hatte, da sah ich sie:
ja, sie waren friedlich, aber sie haben mich irritiert.
diese gestalten in meinem schlafzimmer.
die kleider und vorhänge,
die sich plötzlich sanft bewegten.
ich versuchte mich zu konzentrieren,
wieder hinzusehen und hoffte,
alles war nur einbildung.
irgendwann war klar:
entzug macht irgendwie auch klug.
als sie dann wochen später wieder vorbeikamen,
drehte ich mich nur müde lächelnd zur seite
und schlief weiter.
tanzt weiter durch die nacht,
dachte ich nur.
ich weiß, wo ihr herkommt und ich weiß auch,
dass wir uns heute voneinander verabschieden werden.
schlimmer geht immer.
so war das auch bei mir in sachen benzos.
noch eine mehr war kein problem.
immer mit diesem gefühl:
vielleicht kriege ich dann nichts mehr mit.
einfach ein paar stunden aussteigen aus diesem leben,
das sich oft so falsch anfühlte.
als ich meinen entzug begann, machte ich die benzorolle rückwärts.
von viele auf zwei.
die zweifel waren groß:
macht mein körper das mit? verkraftet er das?
heute glaube ich, wegen meines kalten entzugs war er wohl schon teilweise entgiftet
und so akzeptierte er ohne murren die niedrige dosis.
dennoch wehrte er sich hartnäckig gegen eine halbierung.
man kann auch sagen:
wir haben miteinander gekämpft und um jede viertel tablette gefeilscht.
aber am ende hat mein wille gesiegt.
vielleicht ist das der schlüssel für einen erfolgreichen entzug.
lasst nie die benzos über euch bestimmen.
ihr bestimmt über sie!
ich konnte mich an nichts mehr erinnern.
so rein gar nicht.
ich wusste nicht mal mehr,
wo ich meine traumappte verstaut hatte.
ich habe ordner doppelt angelegt,
termine falsch eingetragen
und vieles ganz einfach vergessen.
ich bekam angst vor mir selber.
ist das der anfgang einer frühen demenz
oder werde ich ganz einfach nur alt?
fragen gab es viele.
sie begleiteten mich für eine lange zeit.
erst im entzug bekam ich antworten.
es war die sucht,
die immer wieder auf die innere löschtaste drückte.
die alle gedanken ausradierte oder sie fest eintütete. heute wird mir erst so vieles klar,
weil ich wieder klar denken kann.
erst, wenn man etwas verloren glaubt,
weiß man es zu schätzen,
wenn man es wieder findet.
mit demut halte ich es wieder in meinen händen.
wo geht es denn lang in meinem leben?
gehe ich geradeaus weiter und mache alles wie bisher oder biege ich doch lieber rechts oder links ab und beginne etwas neues?
ich wusste immer ziemlich genau,
was ich wollte und wie ich es erreiche.
während der sucht war das anders.
orientierungslos schlappte ich durch das hier und jetzt und hatte keinen wirklichen plan,
wo ich mit mir hinsollte.
das ich-navi streikte sozusagen. out of order 24/7.
man gibt die kontrolle über sich selbst
an der apothekentür ab,
wenn man die nächste pillenschachtel abholt.
heute weiß ich, dass dies nicht nur falsch war,
sondern auch gefährlich.
zu recht weigerte sich mein inneres, so weiterzumachen.
hinterher ist man schlauer. natürlich.
aber vielleicht gibt es nicht für jeden ein hinterher, deshalb meine bitte:
zieht bei eurem ich-navi nicht den stecker,
ihr könntet euch im benzodschungel verirren ...
ein speedy oder duracell-häschen mit endloser energie
und immer einer neuen idee im kopf.
das erinnert doch stark an mich vor der sucht. währenddessen verlor ich mehr und mehr
meinen inneren antrieb.
das fühlte sich an,
als würde der dauerrunner zum couchpotatoe.
es gab tage, da war ich einfach nur krank
und zu nichts zu gebrauchen.
oft schaffte ich es nicht mal wirklich
aus dem bett zu kommen.
dafür war der kreislauf regelmäßig im keller
und mit ihm meine gedanken.
ich war das krasse gegenteil von der person,
die mir jahrzehntelang so vertraut war.
plötzlich lebte ich in einer fremden.
wie konnte das passieren?
da war mir noch lange nicht klar,
was der auslöser dafür war.
aber ich wusste,
irgendetwas läuft hier gewaltig schief.
also lass mich noch eine benzo nehmen,
dann spüre ich die schieflage meines lebens
nicht allzu sehr.
benzos sind wahre energievampire,
heute sehe ich das.
die erkenntnis kam schritt für schritt zurück,
als ich den entzug machte.
jetzt habe ich mehr antrieb in einer woche
als ein jahr in der sucht.
der entzug war kein sanfter spaziergang.
auch, wenn ich mir das immer wieder
versucht habe, einzureden.
"ist doch alles nicht sooo schlimm,
das geht so nebenbei mit.
hauptsache meine job läuft weiter geschmeidigzart."
nun, schnell war klar:
es gab gute zeiten,
aber auch entzugsmomente.
mit dem letzten bröckelchen benzo
kommt aber auch dieses gefühl:
ich bin verdammt stolz
auf diese letzten monate mit allem, was zu ihnen gehörte. mit den lockeren hochs und den entzugsstarken tiefs.
sie haben mich für immer geprägt und aus mir
ein stück weit einen neuen menschen gemacht.
ich bin aber vor allem
an diesen herausforderungen gewachsen.
nicht nur ein bisschen,
sondern krassgroß
und das kann mir niemand mehr nehmen!
schieberitis at it`s best oder
ein Tag ist immer noch drin.
Nachdem ich immer im Dauerstress war und mich selber am allerliebsten unter druck gesetzt habe,
war das während der sucht komplett anders.
plötzlich konnte ich dinge
auf die übermorgen bank schieben,
ohne schlechtes gewissen.
ein bisschen entspannter
mit dem einen oder anderen umzugehen,
ist sicher auch kein fehler.
nur alles lässt sich dann halt doch nicht
bis zum sankt nimmerleinstag vor sich hindrücken.
so wurde es dann mit einigen terminen eng
und der stress,
der eben noch im tiefschlaf lag,
kam mit einem lauten "bähm" zurück.
manchmal sah ich ihn kommen,
manchmal traf er mich auch hammerhart.
das schlechte gewissen war natürlich
immer ganz vorne mit dabei
und schwenkte den erinnerungszaunpfahl.
meine antwort?
leichtes achselzucken und ein müdes lächeln.
eines ist sicher:
während der sucht lernt man
eine ganz neue seite an sich kennen.
ob wir freunde werden,
steht allerdings auf einem ganz anderen blatt.
vielleicht ist das auch besser so.
ich erinnere mich an die ersten wochen.
"wie lange wird das wohl dauern?"
fragte ich mich immer wieder.
ein ende war da noch lange nicht in sicht.
ich stocherte sozusagen blind in diesem entzugsnebel und zählte meine benzos durch.
"wie lange reichen die noch?
wann reduzieren wir wieder
und wie wird mein körper dieses mal reagieren?
werden meine arme und beine
wieder unkontrolliert zucken,
gibt es wieder morgens um halb fünf eine imaginäre disko vor meinem schlafzimmerfenster und besuchen mich die einbrecher von neulich, zumindest in meiner fantasie?"
die antworten konnte mir keiner geben,
denn niemand konnte mir voraussagen,
wie ich auf weniger benzos reagiere.
was mein körper akzeptiert und was nicht.
doch es gab zunehmend mehr licht im benzotunnel.
der schatten wurde kleiner
und mein lächeln richtung ende immer größer.
wie fühlt sich das an, wenn deine gedanken nur ein chaotisches, unkontrollierbares knäuel sind?
ziemlich be.....ssen!
vor allem, wenn du vor der sucht alles im griff hattest.
egal, wieviel es war, wie hektisch oder stressig es in manchen zeiten vor sich hinbrodelte.
nicole hatte es immer in fester hand.
ich schien ein anderer mensch zu sein.
manchmal blickte ich wie eine dritte person von aussen auf mich.
das kann nicht ich sein, oder?
nein, war ich auch nicht. eigentlich.
die sucht hat aus mir jemand anderen gemacht und so lange ich die kontrolle über meinen körper und geist
den kleinen teufelspillen überlasse, wird sich daran auch nichts ändern.
wichtig ist, das zu erkennen und auch selbst eine veränderung zu wollen.
das können nicht andere für uns entscheiden oder erzwingen.
ein mit "einem gut meinen" reicht nicht.
ihr müsst es mit e u c h s e l b e r "gut meinen".
das und nur das ist der anfang von eurem neuen, alten ich.